Nominierung für den DENA Award 2021

Kunststoffproduktion und Nachhaltigkeit – Wie passt das zusammen?

Ganz einfach, indem man den gesamten Prozess der Kunststoffverarbeitung betrachtet. Wir haben auch noch kein Allheilmittel erfunden. Aber kleine Schritte, oder wie in diesem Fall, mutige Schritte in Richtung innovativer Technologien helfen, die Produktion von Kunststoffen nachhaltiger zu gestalten. Am Beispiel der Gebr. Schwarz GmbH zeigen wir Ihnen, wie eine innovative wasserbasierte Kälteanlage Klima und Umwelt schont: Ein entscheidender Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.

Die Kunststoffindustrie steht vor großen Herausforderungen

Der Druck der öffentlichen Debatte über die Nutzung von Kunststoff, die teilweise sehr emotional ist, hat entscheidende Folgen für Kunststoffverarbeiter. Sie müssen ihre Produkte immer wieder rechtfertigen und in Bezug zu Umwelt- und Klimaschutz stellen. Dabei gibt es durchaus eine Berechtigung für die Nutzung von Kunststoffen, denn das Material hat einen entscheidenden Vorteil: Es ist leichter als die meisten Alternativen. Sein geringes Gewicht schmälert seinen ökologischen Fußabdruck durch weniger Energieverbrauch während Nutzung oder Transport. Wichtig ist, dass Kunststoff, oder Plastik, wie es im Alltag auch genannt wird, effizient verarbeitet und genutzt wird.

Gerade die effiziente Verarbeitung liegt unserem Kunden, der Gebr. Schwarz GmbH in Rottweil-Neukirch, besonders am Herzen. Zu den obengenannten Herausforderungen sieht sich das mittelständische Unternehmen auch dem Kostendruck von Seiten der Großkunden und den Wettbewerb durch internationale Konkurrenten gegenüber. Nicht zu vergessen, die Attraktivität als mittelständischer Arbeitgeber, die immer entscheidender wird im Anwerben und Halten von Fachkräften.

Personen von links nach rechts: Uwe Schwarz (Nachhaltigkeitsmanager,Gebr. Schwarz GmbH), Danny Schwarz (Geschäftsführer Gebr. Schwarz GmbH) Thomas Schedl (Vorstand, SEMPACT AG), Daniel Bogner-Haslbeck (Energieeffizienzcoach, SEMPACT AG), Zwei Mitarbeiter der Gebr. Schwarz GmbH

Das Bedeutende an der Gebr. Schwarz GmbH ist, dass sie sich der Problematik langfristig und strategisch stellt. Mit ihrem Ansatz steigen die Amortisationszeiten ihrer Effizienzprojekte teilweise auf bis zu 8 Jahre an, führen aber dazu, dass sie als Arbeitgeber, Partner und Lieferant als besonders attraktiv wahrgenommen werden. Zudem stellt sich das Unternehmen proaktiv seiner Verantwortung gegenüber Umwelt- und Klimaschutz.

Die Ausgangssituation

Seit Ende der 90er-Jahre war bei Gebr. Schwarz GmbH ein Kaltwassersatz mit zwei Kolbenverdichtern zur Werkzeugkühlung in Betrieb. Das gekühlte Wasser musste vom sonnigen Dach in den Keller gepumpt und von dort an die Spritzgussmaschinen verteilt werden. Die bestehende Kälteanlage war lediglich zweistufig regelbar. Die Vorlauftemperatur des Kaltwasserkreises betrug 15°C.

Die Kälteanlage war mit einer Wärmerückgewinnung für die Lüftungsanlage und Warmwasserbereitung ausgestattet. Die Idee hinter dieser Installation war, dass die Abwärme der Kälteanlage zur Vorwärmung der Zuluft im Produktionsgebäude und für die Erwärmung des Brauchwassers genutzt wird.

Um die Effizienz der Kälteerzeugung zu bewerten, haben wir wesentliche Energieverbräuche und Prozessparameter des bestehenden Systems für 5 Tage gemessen. Diese Analyse war unsere Grundlage für die Optimierung der Kälteerzeugung. Aber auch ein weiterer Effizienzaspekt ist durch die Messung aufgefallen: In der produktionsfreien Zeit hat die ungeregelte Wärmerückgewinnungsanlage Wärme in die Kältemaschine geführt. Das hatte einen erhöhten Energieverbrauch durch die Wärmerückgewinnung zur Folge.

Dieses Ergebnis zeigt einmal mehr, dass Messungen zu Projektbeginn ihre Berechtigung haben und in unserem systemischen Ansatz einen eindeutigen Mehrwert bieten.

Der Entscheidungsprozess

Nach den umfangreichen Messungen war schnell klar, dass die künftige Lösung sicher eine Freikühlfunktion statt einer Wärmerückgewinnung erhalten soll.

Auf Grund der Verantwortung, die er als Unternehmer für Mensch und Umwelt trägt, war für Hr. Schwarz (Nachhaltigkeitsmanager bei Gebr. Schwarz GmbH) schnell klar, dass die neue Kühlwasserversorgung zukunftsorientiert und klimaschonend sein soll. Aus diesem Grund schied eine klassische Anlage mit halogenhaltigen Kältemitteln aus.

Sein Lieferant bot ihm zunächst einen Kaltwassersatz mit dem Kältemittel Propan (R290, GWP = 3, brennbar) und Freikühlfunktion an. Weitere Recherchen seitens SEMPACT brachten eine neue, noch junge Technik mit dem Kältemittel Wasser (R718) ins Spiel. Der Vorteil von Wasser als Kältemittel: Es ist weder brennbar noch ozonschädlich und hat Null Treibhauseffekt (GWP = 0).

Im Rahmen der gesamtheitlichen Neukonzeption der Kühlanlage wurde auch der Standort der Anlage optimiert. Statt auf dem sonnigen und damit warmen Dach, steht die Kälteanlage jetzt im Keller und die zugehörigen Rückkühler/Freikühler ebenerdig auf der schattigen Nordseite der Produktionshalle.

Das neue Kältesystem und seine Vorteile

Unter Berücksichtigung der Messergebnisse und der geforderten Ausfallsicherheit wurde die neue Anlage mit zwei Kältemaschinen mit je 120 kW Kälteleistung aufgebaut. Das entspricht etwa einer Redundanz von 75 % und stellt einen ausgewogenen Kompromiss zwischen Ausfallsicherheit und Energie- und Ressourceneffizienz dar. Ebenso wurden die Rückkühler und alle Pumpen redundant ausgelegt.

Die Rückkühler werden nun als Freikühler bzw. adiabate Kühler betrieben, um die Effizienz des Gesamtsystems zu erhöhen.

Durch die Nutzung der Rückkühler als Freikühler bzw. adiabate Rückkühler, wird die Effizienz des Gesamtsystems erhöht. Zusätzlich wird durch die Veränderung des Standorts der Kälteerzeugung Energie eingespart. Die durchschnittliche Umgebungstemperatur für den Rückkühler wird dadurch um mind. 5 Kelvin reduziert. Pro 1 Kelvin Senkung der Kondensationstemperatur werden ca. 3 % elektrische Energie am Verdichter eingespart.

Die Solltemperatur des Kaltwasserkreises wird von bisher 15°C auf 18 °C angehoben. Dadurch kann zum einen die sehr effiziente Freikühlung 600 Stunden jährlich länger betrieben werden und zum anderen kann pro 1 K Anhebung der Kaltwassertemperatur ca. 4 % Strom beim Verdichter eingespart werden. Zudem bedeutet die Anhebung der Solltemperatur in diesem Fall ca. 20.000 kWh/a weniger Stromverbrauch. Die angehobene Kaltwassertemperatur ist ausreichend für den Betrieb der Spritzgussanlagen.

Insgesamt summieren sich alle Optimierungen zu einer Stromeinsparung von mehr als 270.000 kWh/a bzw. 80 % im Vergleich zur bisherigen Anlage! Durch den Verzicht auf die Wärmerückgewinnung im neuen Kältekonzept erhöht sich zwar der Heizölverbrauch um ca. 40.000 kWh/a, in der Gesamtbilanz werden dennoch jährlich gut 140 Tonnen CO2 eingespart.

Die Inbetriebnahme und Leistungsoptimierung

Das Problem:

Jede neue Anlage ist nur so effizient wie ihre Einbindung in das Gesamtsystem.

Eine neue, auf dem Papier effiziente Anlage zu kaufen ist nur die halbe Miete. Die zweite Hälfte der Miete nehmen Sie ein, wenn Sie bei der Abnahme der neuen Anlage auch eine Leistungsabnahme machen. Dazu sind im Falle der Kälteanlage mindestens zwei Messgeräte erforderlich:

  1. Stromzähler für die Kälteanlage (Verdichter, Pumpen, Rückkühler/Freikühler)
  2. Kältemengenzähler (Kältemenge, Volumenstrom, Vorlauf-, Rücklauftemperatur)

Ideal wäre noch eine Messung der Außentemperaturen, um die Effizienz der Anlage in Abhängigkeit der Außentemperatur beurteilen zu können. Je nach Standort können hier aber auch z.B. DWD-Wetterdaten mit hinreichender Genauigkeit beschafft werden.

Genau in der Konstellation erfolgt auch das Monitoring der neuen Kältezentrale bei Gebr. Schwarz GmbH: Über den Quotienten aus Kältemenge und Stromverbrauch wird der EER der Anlage (Wirkungsgrad) unter Berücksichtigung aller wesentlicher Anlagenkomponenten in der bestehenden Energiemonitoringsoftware kontinuierlich überwacht. Hierbei ist immer das Gesamtsystem entscheidend. Es bringt Ihnen und der Umwelt ja nichts, wenn zwar der Verdichter der Kälteanlage mit einem EER von 150 arbeitet, aber nach Einbeziehung aller weiteren Komponenten wie Primärkaltwasserpumpe, Glykolpumpe, Rückkühler/Freikühler am Ende nur noch ein EER von weniger als 10 übrigbleibt – trotz Freikühlbetrieb.

Nur durch die von Beginn an eingebaute Messtechnik für Kälte und Strom konnten ineffiziente „Standardeinstellungen“ sichtbar gemacht werden. So waren z.B. die Pumpenleistungen sowohl im Primärkaltwasserkreis, als auch im Glykolkreis deutlich zu hoch eingestellt. Vor allem im Freikühlbetrieb sind die elektrischen Verbräuche der Pumpen die Hauptverbraucher und damit die wesentliche Einflussgröße, ob eine Kälteanlage energieeffizient arbeitet oder nicht. Schritt für Schritt wurde die Anlage auf den idealen Betriebspunkt optimiert. Mittlerweile gehen die Überlegungen sogar so weit, unterschiedliche Betriebspunkte für Hochlast- und Schwachlastzeiten zu definieren, um zusätzliche Effizienzpotenziale zu heben.

Die Lösung:

Das Umweltrisiko der neuen Anlagen ist deutlich geringer als bei der alten Anlage. Bei der neuen Anlage wird anstatt dem Kältemittel R134a (85 kg in der bisherigen Anlage) das Kältemittel R718 (Wasser) eingesetzt. Das hat folgende Auswirkungen:

  • Das Global Warming Potential (GWP) der neuen Anlage ist 0
  • Das verwendete Kältemittel ist nicht entzündlich
  • Das Kältemittel ist ungiftig
  • Das Kältemittel ist frei von umweltschädlichen Stoffen

Adiabate Maschinen- und Werkzeugkühlung mit einem natürlichen Kältemittel können diejenigen produzierenden Gewerbe anwenden, bei denen Prozesswärme entsteht, die abgeführt werden muss. Das gilt besonders für die Kunststoffindustrie, aber auch für andere Branchen wie z. B. die Metallverarbeitung. Zudem können die Anlagen für Serverraumkühlung, Schaltschrankkühlung und Gebäudeklimatisierung verwendet werden.

Zu unserem systemischen Ansatz gehört auch eine Lebenszyklusanalyse unserer geplanten Anlagen. So berechnen wir nicht nur die Kosten für die Anschaffung, sondern über die gesamte geplante Nutzungszeit der Anlage. Neben den direkten Energiekosten werden dabei auch die weiteren Betriebskosten, wie z.B. Wartung, Wasserverbrauch, oder steigende CO2-Abgaben nach dem Brennstoff-Emissionshandelsgesetz (BEHG) berücksichtigt.

Projektübersicht in Zahlen

Die Umwelt- und Klimaaspekte der neuen Anlage

Bei der Kälteanlage handelt es sich um eine der ersten Anwendungen der neuen Serienmaschinen eChiller mit 120 kW. Die Verwendung von Wasser als Kältemittel ist noch wenig verbreitet, hat aber eine hohe Relevanz in Bezug auf Umwelt- und Klimaschutz. Wasser als Kältemittel ist effizient, klimaschonend und wirtschaftlich.

Nominierung für den DENA Award 2021

Und noch ein Highlight zum Schluss: Nicht nur unser Kunde, sondern auch die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) ist vom Kältesystem begeistert. Das Projekt wurde für den Energy Efficiency Award 2021 der dena nominiert. Eine Auszeichnung, die die Skalierbarkeit und Innovationskraft des Projekts auch von neutraler Seite bestätigt und uns als beratender Partner der Gebr. Schwarz GmbH stolz macht. Die Jury hat die Risikobereitschaft der Gebr. Schwarz GmbH mit einem sehr guten dritten Platz in der Kategorie „Von clever bis digital! – Die Bandbreite der Energieeffizienz“ bewertet.

Herr Schwarz (Nachhaltigkeitsmanager der Gebr. Schwarz GmbH) sieht sich durch die Nominierung darin bestätigt, an der Umsetzung dieser neuen Technologie festgehalten zu haben. Er sieht den wesentlichen Beitrag der Firma Gebr. Schwarz GmbH darin, diese innovative Kälteanlage nicht als Wettbewerbsvorteil geheim zu halten, sondern sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Abkürzungsverzeichnis:

  • COP/ EER : Coefficient of Performance/Energy Efficiency Ratio, entspricht dem Wirkungsgrad bei Kälteanlagen (Nutzen/Aufwand); Berechnung: Kälteleistung / elektrische Leistung
  • GWP: Global Warming Potential (Treibhauspotenzial)

Quellen:

  • Bildnachweis: Gebr. Schwarz GmbH